Wenn Teilen nicht nur Freu(n)de macht Hotellerie versus Shared Economy: immer noch ein unfairer Wettbewerb – HogaPage

Sie heißen AIrbnb, Wimdu, Couch-Surfers oder 9flats und gehören zum Share-Economy-Trend. Längst sind diese Onlineportale, auf denen private Wohnungen auf Zeit getauscht oder vermietet werden können, eine ernst zu nehmende Konkurrenz für klassische Hotels geworden. Denn noch gelingt es Portalbetreibern wie Nutzern, gewisse Auflagen und Steuern zu umgehen. Rechtliche Grauzonen schreien aber auch förmlich danach, ausgenutzt zu werden. Warum die Plattformen so erfolgreich sind und wie der Staat und die Branche versuchen, das Problem in den Griff zu bekommen.

Das Prinzip der Shared Economy, der »Wirtschaft des Teilens«, ist einfach: Jeder tauscht, was er hat und gerade nicht braucht. Vom Auto über Wohnung, Zimmer, Almhütte bis hin zu Bohrmaschine und Fahrrad – die Möglichkeiten sind schier grenzenlos. Die ursprüngliche Idee klammert Profitdenken aus und folgt idealistischen Zielen: Weniger muss produziert werden, weniger Ressourcen werden verschwendet. Onlinedienste bringen Privatpersonen, Händler und Produzenten zusammen, damit zum Beispiel überschüssige Lebensmittel getauscht und verwertet werden können, anstatt im Müll zu landen.

Als Ableger haben sich schnell kommerzielle Varianten entwickelt, renditeorientierte Geschäftsmodelle, die mit dem Weltverbesserungsgedanken so gut wie nichts mehr zu tun haben. Wie im Fall der Vermietungsplattformen: Privatpersonen (im besten Fall) nutzen Onlineplattformen, um ihr Haus und Heim zu vermieten, die Agenturen verdienen durch Vermittlungsgebühren und Werbung.

Neuer Begriff für eine alte Idee

Der Begriff »Share Economy« im Beherbergungssektor ist vergleichsweise jung, die Idee alt. Denn Privatzimmervermietung gibt es schließlich schon lange, sie ist quasi Vor- und Parallelform der professionellen Hotellerie: Bed-And-Breakfast, Urlaub am Bauernhof, Gäste- oder Fremdenzimmer in Haushalten. Was heutzutage anders ist: Anbieter und Gäste verbinden sich im Zeitalter des Social Web über Onlineportale mit einem ungleich größeren Publikum blitzschnell und ohne großen Aufwand – und das weltweit. So hat die US-Agentur Airbnb – gegründet 2008 in Silicon Valley und derzeit Weltmarktführer im Bereich Vermittlung von Privatunterkünften – nach eigenen Angaben Angebote in über 34.000 Städten und 190 Ländern, vermittelt mehr als 60 Millionen Gäste und hat zwei Millionen Inserate rund um den Erdball.Warum das Geschäftsmodell so erfolgreich ist

Das Geschäftsmodell trifft den Nerv der Zeit

Die junge Zielgruppe Generation Y will im Urlaub billig(er) oder umsonst nächtigen. Da reicht vielen ein auch mal nicht ganz so sauberes Sofa zum Schlafen, wie über CouchSurfing.org zu ergattern. Noch wichtiger aber ist der soziale Aspekt, wie eine aktuelle Studie der Universität Innsbruck ans Licht gebracht hat: Wer vermietet, will neue Leute aus anderen Ländern kennenlernen und sich nebenbei Auto, Couch und Arbeitsplatz:

Das teilt Österreich am liebsten

In Österreich sind neben Carsharing-Anbietern (Car2Go, Mitfahrgelegenheit.at) und Co-Working-Angeboten besonders Übernachtungsplattformen gefragt. Beliebt sind etwa Airbnb, sein deutsches Pendant Wimdu, 9flats und CouchSurfers. Wer am erfolgreichsten ist, lässt sich nur mutmaßen. Denn Platzhirsch Airbnb ist nicht börsennotiert, seine Firmendaten daher nicht offengelegt. Basierend auf der letzten, 1,5 Milliarden (!) schweren Finanzierungsrunde Mitte 2015 wurde sein Wert auf insgesamt 25 Milliarden US-Dollar geschätzt, meldete das Wall Street Journal. Für ein Start-up sind das Spitzenwerte, Airbnb ist damit eines der teuersten noch jungen Unternehmen. Auch der Kauf von HomeAway durch den Travelanbieter Expedia für satte 3,9 Milliarden US-Dollar spricht eine klare Sprache: Shareplattformen haben Gewicht und sind wohl gekommen, um zu bleiben.

Wer mietet, sucht direkten Kontakt mit Einheimischen im Urlaubsort, Insiderinfos über die angesagten Bars der Stadt und erlebt im Idealfall mit den Hosts das Nachtleben authentisch mit. So geht »Social Travelling« heute: Man utlaubt wie bei Freunden.

 

Wettbewerbsbedingungen in Schieflage

In vielen Ländern kritisieren Hotelbetreiber, die Wettbewerbslage sei unfair. Hoteliers müssen dem Finanzamt Daten und Einnahmen bekannt geben. Sie zahlen brav Steuern, stellen Personal ein, erbringen Sozialleistungen und unterliegen kostspieligen, teilweise aberwitzigen Vorschriften und Kontrollen. Die Share-Agenturen und deren Gäste dagegen tummeln sich oft in rechtlichen Grauzonen zwischen privater Untermiete und professioneller Beherbergung. Für die Versteuerung ihrer Einkünfte sollen die Gastgeber selbst verantwortlich sein. So weit, so legal. Was de facto allerdings viele Gastgeber nicht tun. Ob Brandschutz und Fluchtweg, Hygienevorschrift, Umsatzsteuer, Anrainerschutz, polizeiliche Meldung des Gastes beim Einchecken, Ortstaxe – wer offiziell nicht existiert, wird nicht kontrolliert. Und kann auch nicht zur Kassa gebeten
werden.

Konzerne führen einen »ungleichen Krieg«

Tatsächlich führen die Konzerne, deren Milliarden hinter den Anbietern stehen, einen ungleichen Krieg. Börsennotierte Konzerne unterwandern Branchen, indem sie Privatpersonen vorschieben, um möglichst keine Steuern abzuführen und arbeitsrechtliche Vorschriften zu umgehen, die gewerbliche Anbieter befolgen müssen«, sagt Michaela Reitterer (Österreichische Hoteliervereinigung) und selbst Hotelbesitzerin in Wien. Und auch manche gewerblichen Anbieter nutzen die Portale als zusätzlichen Vertriebsweg. Michaela Reitterer betont: »Jeder soll fallweise seine Wohnung ohne großess Brimborium vermieten können. Aber wer das systematisch macht und in größerem Stil, wer in Wohnungen investiert, um sie zu vermieten, soll einen Teil beitragen zur Tourismuswerbung. Es kann nicht sein, dass die Umsatzsteuer erhöht wird, damit die Hoteliers die Löcher in den Staatskassen füllen. Und die Shareholder von Airbnb wissen gar nicht, wohin mit ihren Einnahmen.

»Es müssenfaire Regeln definiert werden«Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung, im Gespräch mit HOGAPAGE.

 

Lösung auf Österreichisch

Und so weht den Shareportalen inzwischen ein kalter Wind von Interessensgruppen wie Gewerkschaften, Verbänden, Mietervereinigungen entgegen. Und auch aus der Politik: Schließlich entgehen dem Staat geschätzt jährlich 9,16 Millionen Euro an Mehrwertsteuer, Gemeinden- und Tourismusverbänden weitere 4,5 Millionen Euro an Orts- und Kurtaxen (Quelle: Tourismusberater Prodinger).

Als Vorreiterin lieferte die Stadt Wien mit Finanzstadträtin Brauner (SPÖ) im Vorjahr konkrete Lösungen: So sollen Onlinevermittler künftig melden müssen, wer ihre Dienste in Anspruch nimmt – in der Erwartung, dass diese ihre Daten auch herausgeben. Auch eine Infokampagne ist angelaufen: Auf www.wien.gv.at/arbelt-wirtschaft/privat-vermieten.html erfahren Privatvermieter in Form von Checklisten und eines achtseitigen Leitfadens, was erlaubt ist und was nicht, welche Steuern und Ortstaxen wie abgeführt werden müssen (inkl. Onlinerechner), wer eine Gewerbeberechtigung
braucht und wofür Meldepflicht besteht.

Branche drängt auf einheitliche Lösung

Weitere Punkte im Wiener Paket: Anhebung der Strafen im Wiederholungsfall (von 420 auf bis zu 2.100 Euro), Schwerpunktaktionen der zuständigen Magistratsabteilung 6 für Rechnungs- und Abgabenwesen, allerdings (noch) ohne Kontrolleure, die an Wohnungstüren klingeln. Auch die Judikative gibt einen Wegweiser zur Sharekultur vor: Laut OGH-Urteil aus 2014 brauchen Besitzer von Eigentumswohnungen nun die Einwilligung der gesamten Wohnungseigentümergemeinschaft, in Mietwohnungen entscheidet der Mietvertrag, in Gemeindebauten ist Untermiete untersagt. Nach dem Vorstoß Wiens in Sachen Regelverschärfung drängen die Sozialpartner wie die Gewerkschaft vida und der WKO-Fachverband Hotellerie auf eine österreichweite Lösung. Am besten wird wohl ein Weg der Mitte sein: Hoteliers entlasten statt belasten und ein Mindestmaß an Kontrolle bei anderen Anbietern im Interesse aller.

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