Aktuelles Urteil bestätigt Diskriminierung aller Dienstleistungsbetriebe bei der Energieabgabenvergütung

Das Energieabgabenvergütungsgesetz sieht die Rückerstattung eines Teiles der Energieabgabe vor. Seit 2011 sind alle Dienstleistungsbetriebe von dieser Vergütung ausgeschlossen.

Die Hotellerie hatte im Zeitraum 2011 bis 2015 durch die vorenthaltene Energieabgabenvergütung (EnAbgVerG) eine Belastung in der Größenordnung von 20 Millionen Euro jährlich zu verkraften. Das Ausbleiben der Energieabgabenvergütung hat damit zu großen Belastungen des Tourismus (Bergbahnen, Hotellerie) geführt. Besonders die Hotellerie, die in diesen Jahren große Investitionen in ihre Thermen- und Wellnessbereiche getätigt hat, sieht sich seit der ungerechtfertigten Streichung komplett veränderten Rahmenbedingungen gegenüber. „Während die Sachgüterproduktion weiterhin Nutznießerin der Energieabgabenvergütung ist, wird gerade jene Branche unter Druck gesetzt, die nicht abwandern kann und standortgebundene Arbeitsplätze sichert. Der Tourismus steht aber ähnlich wie die Industrie in einem beinharten internationalen Wettbewerb“, gibt Stefan Rohrmoser von der Prodinger Steuerberatung zu bedenken.

Bis 2010 konnten alle Unternehmer die Vergütung bezahlter Energieabgaben fünf Jahre rückwirkend beantragen. Energieintensive Betriebe erhielten auf diese Weise einen Teil ihrer Energieabgaben zurück. Vergütungsfähige Energieträger sind Strom, Erdgas, Kohle, Mineralöl und Flüssiggas. Der Vergütungsanspruch entspricht dem Betrag der Abgaben über 0,5% des Nettoproduktionswertes abzüglich des Selbstbehalts (Nettoproduktionswert = Umsatz minus sämtlicher fremden Vorleistungen). Davon profitierten vor allem energieintensive Hotels, etwa jene mit Schwimmbad, Sauna, Thermen, Wellnessbereich oder Klimaanlage. Durch das Budgetbegleitgesetz 2011 wurde den touristischen Dienstleistern diese Option genommen.

Durchschnittliche Vergütungsansprüche pro Jahr:

  • 4/5 Sterne Hotels Euro 10.000,–
  • Wellness-Hotels Euro 23.000,–
  • Thermen-Hotels Euro 70.000,–

„Mit der Beschränkung der Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe wollte sich die Regierung rund 100 Millionen Euro pro Jahr sparen und bei mir im Betrieb rund Euro 20.000,–“, resümiert Horst Dilly, „bei niedrigen Bilanzergebnissen entscheidet eine solche Summe über Gewinn oder Verlust.“

2012: Die Österreichische Hoteliervereinigung (ÖHV) beauftragte die Prodinger Gruppe, und renommierte Rechtsanwaltskanzleien mit der Abwicklung der VwGH- und VfGH-Beschwerden. Der VfGH kam zu dem Schluss, dass es „dem Gesetzgeber freisteht, im Hinblick auf die typischerweise unterschiedliche Wettbewerbssituation im Recht der Energieabgabenvergütung zwischen Produktions- und Dienstleistungsbetrieben zu differenzieren und letztere davon auszuschließen.“

2013: Im Verfahrensweg sah der VwGH auch keine europarechtlichen Bedenken, weil die Regelung aufgrund der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO 2008) freigestellt sei und sie auch im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sei (Anm.: Diese Rechtsansicht kann nach der vorliegenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom 21.07.2016 nicht mehr aufrechterhalten werden).

2015: Als steuerliche Vertretung von Dilly´s Ressort beantragte die Prodinger Steuerberatung eine ausführliche Berufungs- bzw. Beschwerdeergänzung beim BFG Linz, dieses wiederum stellte auf Grund unionsrechtlicher Bedenken einen Antrag auf Vorabentscheidung an den EuGH.

07/2016: Der EuGH hat im Juli klargestellt, dass die Energieabgabenvergütung eine staatliche Beihilfe darstellt. Diese wäre auch zur Genehmigung der EU-Kommission vorzulegen.
In dieser Entscheidung hält der EuGH dezidiert fest, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, zum einen bei der Kommission alle Maßnahmen mit Beihilfecharakter anzumelden. Die unionsrechtlichen Voraussetzungen wurden nicht erfüllt.

Die EuGH-Entscheidung und die darin festgestellte Verletzung von Unionsrecht bewirkt, dass die Einschränkung der Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe noch nicht in Kraft getreten ist. Dies bedeutet aber, dass der Hotellerie wegen vorenthaltener Rückvergütungen rund 100 Millionen Euro ausbezahlt werden müssen – und zwar rückwirkend seit 2011, oder dass die Produktionsbetriebe die rechtwidrig erhaltenen Vorteile rückerstatten müssen.

Das Finanzministerium wehrt sich gegen das EuGH Urteil und hat nochmals eine Amtsrevision beim VwGH eingebracht. Gemeinsam mit seinem Klienten Horst Dilly und dem schon im Verfahren vor dem EuGH mit dieser Angelegenheit befassten RA Dr. Markus Kroner hat Prodinger eine Revisionsbeantwortung beim VwGH eingebracht. Die Vorgehensweise wurde in enger Abstimmung mit der ÖHV durchgeführt.

11/2016: „Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten, unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Unionsrecht zu gewährleisten“, sagt Dr. Markus Kroner. Das Finanzministerium geht das Risiko ein, das sich aus der VwGH-Erkenntnis ergibt, dass die Energieabgabenvergütung zwar EU-rechtswidrig ist, aber wirksam eingeführt wurde. Die im betroffenen Zeitraum geleisteten Vergütungen an Produktionsbetrieben sind somit EU-rechtswidrig.

Nicht nachvollziehbar und fast schon unverständlich im Hinblick auf die sich daraus ergebende rechtlichen Konsequenzen für die Republik Österreich ist die sich aus dieser Ansicht zwingend ergebende verbotene Durchführung. Der EuGH hat klargestellt, dass die Gewährung der Energieabgabenvergütung an Produktionsbetriebe unter Ausschluss der Dienstleistungsbetriebe eine unzulässige Beihilfe ist und gegen das Durchführungsverbot verstößt.

„Auf Grundlage des EuGH-Urteils sollten auch Dienstleistungsbetriebe einen Vergütungsantrag stellen. Für die Jahre 2011-2015 kann daher grundsätzlich noch ein Vergütungsantrag gestellt werden“, schließt Stefan Rohrmoser.

 

 

Die PRODINGER BERATUNGSGRUPPE mit Hauptsitz in Zell am See ist Mitglied in mehreren Netzwerken. Als führende Wirtschaftsberatung unterstützt sie ihre Kunden in den Geschäftsfeldern Steuerberatung, Unternehmensberatung, Wirtschaftsprüfung, Rechtsberatung, Marketing und Digitalisierung. Die Firmengruppe hat Spezialisten in den Branchen Tourismus, Bau- und Baunebengewerbe, Immobilienwirtschaft, freiberufliche Tätigkeiten, Handel, Gewerbe und Dienstleistung. Das Netzwerk hat Standorte in Bad Hofgastein, Bozen, Innsbruck, Lech am Arlberg, Linz, Mittersill, München, Saalfelden, Salzburg, St. Johann im Pongau, Velden, Wien und Zell am See. Die Netzwerkgruppe betreut aktuell mehr als 6.000 Kunden, davon über 500 Hotelbetriebe, 30 Destinationen und 40 Bergbahnen. Derzeit sind 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an 13 Standorten tätig. Die Prodinger Beratungsgruppe ist international vernetzt mit der GGI geneva group.

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